Gedanken zur Psychologie des Reitens und Gerittenwerdens
Ich bin davon überzeugt, dass viele Missverständnisse zwischen Reiter und Pferd vermieden werden könnten, wenn wir uns besser in die Psyche des Pferdes hineinversetzen könnten und als menschlichen Partner die Körpersprache des Pferde besser verstehen und deuten könnten, ohne es zu vermenschlichen und ohne sie aus menschlicher Sicht zu bewerten. Dies gilt für den Freizeitbereich und den therapeutischen Bereich genauso wie für den Spitzensport. Es ist manchmal geradezu überraschend, wie viele Menschen mit den besten Vorsätzen ihrem vielgeliebten, teuren Pferden, für das sie bereit sind sehr viel an Geld, Zeit und Energie zu opfern, sehr viel antun können, ohne sich dessen bewusst zu sein. Im Verhältnis von Mensch und Pferd kommen sehr viele „eigenartige“ psychologische Mechanismen zum tragen über die man Bücher schreiben könnte.
Pferde spiegeln ihre Reiter:
Das Wissen über diese Mechanismen und Prozesse macht den Einsatz des Pferdes als Co-Therapeut in der Equitherapie deer möglich, da Pferde durch ihr sehr gut entwickeltes soziales „Gespür“ in der Lage sind, unsere wahren Impulse sehr genau anzufühlen. Sie spüren instinktiv was jemand tatsächlich meint und will, auch weiß er das vielleicht in diesem Augenblick selbst nicht. Pferde fühlen versteckte Aggression und reagieren sehr klar darauf. Sie spüren Unsicherheit, Dominanzsstreben genauso wie Entspannung, Sicherheit und vollständige Zuneigung und spiegeln diese klar in ihrem eigenen Verhalten. Was in der Therapie erwünscht ist kann im Sport sehr konfrontierend für den Reiter werden. Schon Goethe hat klar erkannt: ……Pferd und Reiter verschmelzen so ineinander, dass man nicht weiß, wer den anderen erzieht !……..
Wechselseitiges Bewegungsspiel nicht einfach für den Mesnchen:
Unsere Chance als Reiter ist es Partner im Bewegungsspieles zu werden, das Pferde gerne in der Gruppe pflegen, und das zu ihrem täglichen Lebensritual gehört. Schließlich muss ein Fluchttier sich permanent fit und beweglich halten. Vom Boden aus ist es meist leichter, zu einer sinnvollen Kommunikation zu kommen, da wir Menschen dann mit beiden Beinen geerdet sind (also auch niemand mit uns weglaufen kann), und nicht so sehr mit unserer eigene Körperbeherrschung zu kämpfen haben. Als körperorientierter Therapeut weiß ich wie schwierig der psychomotorische Lernprozess des Reiters ist. Es gilt seine eigene Asymmetrie (Rechts- oder Linkshändigkeit) zu überwinden, sein eigenes Körperschema neu zu eichen und das Eingehen auf die Bewegung eines anderen zu erlernen. Er muss auch seine instinktive Angst vor der ungewollten Bewegung des Pferdes überwinden lernen. Dabei fällt es ihm vor allem schwer die Kontrolle bis zu einem gewissen Grad los zu lassen. Dazu kommt noch seine eigenen psychischen Impulse zu verstehen und kontrollieren zu lernen, um die Pferdereaktionen auf die eigenen gewollten oder ungewollten Bewegungsimpulse interpretieren und darauf reagieren zu können. Wir alle wissen wie viel Überwindung es uns kostet los zu lassen und zu entspannen, wenn wir selbst aus Angst erstarrt auf dem Pferd klemmen und das Pferd dann ebenso reagiert.
Gut reiten bedeutet vor allem sich selbst im Griff haben
Reiten lernen bedeutet darum auch immer wieder zu lernen mit Frustrationen umzugehen, da Pferde auf unser Unvermögen, es nicht in seinen Bewegungen zu stören, oder ihm etwas aufzwingen zu wollen, was es nicht leisten kann, reagieren. Und das manchmal durchaus auch sehr heftig. Immer wieder hat sich in den letzten Jahren die Unzufriedenheit und manchmal auch Hilflosigkeit des Menschen in der Suche nach Techniken manifestiert, um dieses Problem einfacher lösen zu können (Reitsportgeschäfte sind voll von allerlei Hilfszügeln, abenteuerlichen Gebissen und allerlei andern Hilfsmitteln). Wenn man gut reiten will gibt es aber nur einen Weg, nämlich an der der eigenen Psychomotorik zu arbeiten (sprich Sitzschulung) und auch seine Einstellung dem Pferd gegenüber in den Griff zu bekommen.
Ein Pferd bewegt sich so wie es sich fühlt
Lernen wir Menschen uns besser in das Wesen des Pferdes zu versetzen und zu erfühlen was das Pferd fühlt, dann können wir direkt an der Antwort des Pferdes auf unsere Versuche ablesen, ob wir das was wir mit ihm tun in Harmonie mit ihm tun oder nicht. Wir merken eigentlich sehr direkt ob es sich schlicht wohl fühlt bei dem, was wir zusammen machen oder nicht. Ob das nun bei einer Dressurprüfung, beim Freilaufen und Spielen im Viereck oder Round Pen, beim Longieren oder bei einem Ausritt stattfindet. Wenn wir verstehen können, was das Pferd uns mit seiner Körpersprache erzählt und welche Stimmungen bei ihm an bestimmte Körperhaltungen und Bewegungen gekoppelt sind, dann sagt uns das meist sehr genau, was wir richtig und was wir verkehrt gemacht haben. Da Pferde sich in Bewegung und Körperhaltung mitteilen ist es wichtig Ver-spannung, Ent-spannung und An-spannung unterscheiden zu lernen und zu erkennen wann Bewegung fließt und wann sie irgendwo blockiert ist. Man könnte sagen – so wie ein Pferd sich fühlt so bewegt es sich und auch andersrum so wie es bewegt wird, so muss es sich auch fühlen. Dies kann man vom Boden aus sehen und vom Sattel aus sehr direkt fühlen. Voraussetzung für diese Harmonie ist, dass das Pferd sich in einem ausgeglichenen psychischen Zustand befinden kann. Mit anderen Worten, dass es geistig und körperlich im Gleichgewicht ist. Traurig ist, dass im Sport, ja selbst im Spitzensport häufig vergessen wird sich auf diese Voraussetzung von Harmonie zu besinnen. Viele Diskussionen der letzten Zeit zeigen, dass selbst viele „Ëxperten“ verlernt haben auf die äusseren Zeichen von Harmonie oder Dysharmonie zu achten und sie auch richtig zu deuten.